Erdbebengeschichten
Unterwegs im Norden von Lombok
Adin fuhr uns heute an Lomboks Küste entlang an den Fuß des Mount Rinjani, der mächtige Vulkan, der den Norden von Lombok beherrscht. Zwei Stunden dauerte die Fahrt entlang von Reisfeldern und den Dörfern des Nordens. Die Verwüstung durch das Beben im August war unbeschreiblich, gar nicht so sehr in den Bergen, sondern vor allem in der Küstenregion. Während in Tanjung noch einige Häuser das Erdbeben weitgehend unbeschadet überlebt hatten, stand in manchen Dörfern weiter nördlich buchstäblich kein Stein mehr auf dem anderen. Überall bauten und werkelten die Menschen, trotzdem ist der Wiederaufbau schwierig. Trümmerteile liegen überall in Bergen herum und großes Gerät für ein effektives Räumen gibt es wenig. Noch schlimmer ist aber, dass sich die Menschen nicht trauen, neue Häuser zu bauen, aus Angst beim nächsten Beben wieder Familienmitglieder zu verlieren. Viele Familie sind erst gerade eben wieder aus den Bergen zu den Trümmern ihrer Häuser zurückgekehrt, da sie aus Angst vor einem Tsunami bisher nicht gewagt haben ins Flachland zurück zu kommen. Einen ganzen Monat lang hat im August hier die Erde jeden Tag gebebt und auch danach gab es immer wieder kleinere Nachbeben. Deshalb fängt der Wiederaufbau in manchen Orten gerade erst an. Noch immer bauen die Menschen Provisorien. Anstatt mit Ziegelsteinen oder Beton bauen sie Bambushütten. Schulen und Moscheen werden aus leichtem Alugerüst, mit Dach und Wänden aus Holz oder Wellblech erstellt, um möglichst wenig Schaden bei Folgebeben zu machen. Alle sehen deshalb gleich aus.
Auch Adin hat momentan kein Haus, sondern nur eine Holzhütte. Das Geld dafür - 2 Millionen Rupien oder ungefähr 150 Euro - musste er sich leihen. Er steht normalerweise mit seinem Auto im Hafen von Bangsal, um Touristen, die von Bali oder den Gili Inseln ankommen, Lombok zu zeigen. Jetzt, nachdem das anfängliche Chaos vorüber ist, ist sein Problem, und das eines großen Teils der Bevölkerung, dass keine Touristen da sind. Der Tourismus ist eine Haupteinnahmequelle des Nordens, ohne Touristen fehlt das Geld für den Wiederaufbau, vor allem weil das versprochene Geld von Seiten der Regierung bisher ausgeblieben ist. Die Menschen machen das Beste aus der Situation: wenn Wände fehlen wird das Restaurant zum Freiluftimbiss. Solange die Küchenzeile noch steht kann sie genutzt werden, auch wenn kein Haus mehr drum herum ist, fehlende Decken werden abgehängt ...
Zwei Monate hat es gedauert bis die Menschen aus dem Katastrophenzustand in den Wiederaufbaumodus übergegangen sind. Erst waren alle Länden geschlossen, es gab keinen Strom, Wasser und Lebensmittel wurden von LKWs verteilt. Inzwischen ist das Leben wieder einigermaßen normal, nur das die Häuser Zelte sind und die Läden Bretterbuden zwischen den Trümmern. Auch die riesige Erdspalte die sich aufgetan hat ist inzwischen zugeschüttet. Allerdings ist der Aufstieg zum Mount Rinjani, der als einer der schönsten Trekkingtouren Südostasiens gilt, momentan noch gesperrt, der Weg scheint unpassierbar. Aber die Wasserfälle am Fuß des Vulkans sind wieder zugänglich ...
Tiu Kelep nach dem Erdbeben
... wenn der Zugang auch etwas herausfordernder ist. Adin brachte uns nach Senaru, wo wir uns die Wanderschuhe anzogen. Der kleine Ort besteht fast ausschließlich aus Hotels und Restaurants, um die vielen Touristen zu bewirten, die hier normalerweise anzutreffen sind. Heute war es allerdings sehr still, auch wenn die Cafes und Suppenküchen fast alle in irgend einer Art und Weise geöffnet hatten. Es war seltsam einen so touristischen Ort ganz ohne Touristen zu sehen.
Auf einem gut befestigten Weg, der in Treppen bergab ging, wanderten wir selbst mit den Jungs in nur 15 Minuten zum Sedang Gila. An dem 30 Meter hohen Wasserfall trafen wir dann noch einige andere Wanderer, die für ein Foto posierten. Wir kauften einige gebratene Bananen, die wir gegen die aggressiven Affen verteidigten, und machten uns dann an den zweiten Teil der Wanderung. 20 Minuten sollten es dauern, um von Sedang Gila zu Tiu Kelep zu gelangen, wurde uns am Eingang zum Nationalpark gesagt. Das war vor dem Erdbeben.
Überall entlang des Pfades sahen wir die Spuren des Bebens. Gleich nachdem wir losgelaufen waren, überquerten wir einen Erdrutsch. Dann kamen wir zu einer Brücke, deren hinauf führende Treppe in der Mitte auseinander gebrochen war. Gleich danach waren Teile des Kanals, der die bergabliegenden Reisfelder mit Wasser versorgt, weggebrochen und notdürftig mit Sandsäcken geflickt. Immer wieder steigen wir über umgefallene Bäume und herab gerutschte Felsblöcke. Auf die Überquerung des Flusses waren wir vorbereitet, nicht aber auf den großen Steinrutsch kurz vor dem Wasserfall. Im flachen Flussbett läuft man normalerweise das letzte Stück bis zu einem Pool in dem man baden kann, wir kletterten aber über rutschige, nasse Felsen, die sich bis in den Fluss und den Pool ergossen hatten - allein für die letzten 100 Meter brauchten wir mit den Jungs 20 Minuten. Obwohl der mächtige Tiu Kelep beeindruckend war und wir gerne gebadet hätten, war unser Aufenthalt am Wasserfall kurz, denn wir standen auch noch viele Meter weit entfernt im Nebel des herab rauschenden, kalten Wassers und die Jungs fanden das letzte Stück des Weges dann doch etwas zu abenteuerlich. In die Höhle hinter dem Wasser wollte nur der Capitano, der aber auch ganz schnell wieder da war.