Vor Beginn unserer Reise konnte ich mir nur schwer vorstellen, wie man mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern das Schiff auf Passage rund um die Uhr steuern kann. Ich hatte vor allem Bedenken vor Schlafmangel. Nach mehreren längeren Passagen unter anderem der 19-tägigen Atlantiküberquerung und der 36-tägigen Überquerung des Ostpazifiks mit unserer Familiencrew finden wir die Wachen zu zweit machbar auch ohne ein großes Schlafdefizit aufzubauen. Wir hatten vor den längeren Passagen immer wieder überlegt zusätzliche Crew an Bord zu nehmen, so wie das viele Blauwassersegler tun, uns aber immer wieder dagegen entschieden, vor allem wegen der eingeschränkten Privatsphäre und der Ungewissheit, dass die unbekannte Crew zu uns passt.
Da unsere Familiencrew nur aus zwei Erwachsenen bestehen, teilen Christian und ich uns die Wachen 24|7. Tagsüber haben wir keinen festen Zeitplan für unsere Wachen, aber meistens ist Christian auf Wache, während ich mit den Kindern spiele, backe, koche und andere Hausaufgaben erledige. Nach einem frühen Abendessen gehen die Kinder normalerweise zwischen 19 und 20 Uhr ins Bett. Die erste Wache beginnt für Christian, während ich bis 23 Uhr schlafe. Von 23 Uhr bis 2 Uhr bin ich auf Wache, genauso in der Morgendämmerung, ab ca. 6 Uhr. Die Kinder teilen normalerweise meine letzte Wache. Zwischen 8 und 9 Uhr frühstückt die ganze Familie.
Während unserer Wachen steuert normalerweise die Windfahne das Boot, in Ausnahmefällen, wenn die Winde sehr leicht sind und der Windpilot Schwierigkeiten zu steuern hat oder wenn wir unter Motor laufen, ist der elektrische Autopilot am Ruder.
Außerhalb von Küstengewässern erledigen wir alle 15 Minuten einen sorgfältigen Rundumblick. Solange die Augen noch an die Dunkelheit angepasst sind, schauen wir zuerst nach Navigationslichtern und dunklen Wolken, anschließend überprüfen wir Kurs, Windrichtung und AIS-Signale. In Gebieten mit Verkehr, in Küstengewässern oder unter rauen Bedingungen erhöhen wir die Häufigkeit der Überwachung. Bei Bedarf schalten wir das Radar (z. B. kann man Regenfelder gut auf dem Radarschirm sehen), den elektronischen Kompass, das Echolot oder den Windmesser ein. Ständig betreiben wir nur das GPS, das AIS und eine Dreifarbenlaterne während der Nacht, die anderen Geräte nur bei Bedarf, um Energie zu sparen.
Während den Wachen verbringen wir die meiste Zeit im Decksalon, gehen aber für den Rundumblick nach draußen. Zwischen den einzelnen Rundumblicken verbringen wir die Zeit mit Funken, Lesen (bei gedimmtem Licht), Putzen oder einfach nur Entspannen. Nebenbei läuft immer mindestens ein Timer, der uns an den nächsten Rundumblick erinnert. Zum Wachwechsel klingelt außerdem der Wecker, damit sich der Körper auf einen regelmäßigen Schlafrhythmus einstellen kann.
Für den Fall, dass wir die Segel während der Nacht anpassen müssen, machen wir das, wenn möglich, beim Wachwechsel. Für den Fall, dass Segel gerefft werden müssen, wenn der Wind zunimmt, sind beide an Deck erforderlich. Dies geschieht glücklicherweise nicht allzu oft. Wir tragen in der Regel Rettungswesten und sind angeleint, wenn wir nachts draußen arbeiten.
Wenn in der Nacht keine zusätzlichen Arbeitsstunden auftreten, bietet unser Wachrhythmus genügend Ruhezeit, so dass wir ohne zusätzliche Nickerchen fit sind. Manchmal, besonders am Anfang von Passagen, wenn ich noch keine Seebeine habe, lege ich mich tagsüber noch einmal hin. Christian ist zum Glück robuster und weniger anfällig für Seekrankheit.
Mehr Details findet ihr im Logbuch zum Thema Nachtwache