Wir sind in Ägypten
Auf die Nase
Es dauerte einen ganzen Tag mehr als geplant, bis wir Moyas Bug an einer der Mooring Bojen hier am Riff vertäuten. Und dabei waren es nur 200 Meilen von Khor Shinab. Wir wollten einfach nicht die gesamte Strecke motoren und kämpften die Hälfte der Zeit unter Segeln, kreuzend gegen den Nordwind. Um das Kap Ras Banas pfeifft der Wind immer mit noch ein paar Knoten mehr herum. Es wäre gut gewesen hier bei Flaute oder Leichtwind vorbei zu kommen. Aber das Wetterfenster war kurz und bereits zu, als wir gestern Nacht schließlich am Kap vorbei kamen, bei 25 Knoten Wind auf die Nase. Schon tagsüber hatte der Wind zugenommen und wir hatten das Kneten des Brotteig auf den Boden verlegt, weil wir keine Chance mehr hatten, stehen zu bleiben ohne durchs Schiff zu fallen. Die Kinder hatten unsere Einkauftüten herausgekramt und sind damit mit Begeisterung über den Boden „Schlitten gefahren“. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie kreativ die kleinen Geister werden können.
Es wird kompliziert
In den letzten Wochen hörten wir im Internet, über E-Mail und im realen Leben Cruiser immer wieder sagen „I‘m fed up by the Egyptians“. Seit letztes Jahr im Oktober scheinen sie die Einreisegebühren in Port Ghalib verzehnfacht zu haben. Wer nach Hurghada will, muss nochmal und sogar noch tiefer in die Tasche greifen und das an Land gehen irgendwo anders muss trotzdem erstandenem Cruising Permit meist eine Tortur sein. In Suez wird jeder über den Tisch gezogen und nach Port Said soll man nur Segeln, wenn man bereits einen Platz in der Psychiatrie vorgebucht hat. Seit 1 April 2019 braucht man nun auch noch plötzlich eine Gelbfieberimpfung für die Einreise in Port Ghalib, falls man aus dem Sudan kommt. So die Meinungen der Yachties.
Dass zumindest einige dieser Brocken, die die Ägypter dem Yachttourismus in den Weg legen, nicht aus der Luft gegriffen sind haben wir auch schon erfahren. Das Angebot für unsere Einreise in Ghalib ist exorbitant und beinhaltet Unsinnigkeiten wie Automiete für Behördengänge, obwohl die Behörden sich vor Ort befinden und der Agent ein langjährigen Anbieter für Touren ins Landesinnere ist. Genau dieser hat seit kurzem das Monopol als Agent für die Einreise in Ghalib. Man nimmt es von den Lebenden. Andere Cruiser beginnen einen Boykott, aber uns bleibt kaum eine Wahl, schon jetzt gibt es nur Nudeln oder Reis zum Abendessen.
Auch die Küstenwache scheint übereifrig. Ein ägyptisches Kriegsschiff wies uns darauf hin in einem Sperrgebiet zu segeln, obwohl wir uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in den ägyptischen Hohheitsgewässer befanden. Wir schauen mal wie es für uns weiter gehen wird und fragen uns schon jetzt, ob das Alles irgendwie mit dem Massentourismus zu tun haben könnte?
Am Delfin Riff
Dass es hier Touristen gibt, ist unbestreitbar. Als wir gestern Morgen nach Sonnenaufgang zwischen den Riffen den Weg in die Lagune suchten, lagen da bereits 10 große Motoryachten. Jede davon hatte eine ganze Ladung Tauchtouristen an Bord, die auf den Booten für ein oder zwei Wochen leben um die Riffe zu erkunden. Zu unserem Entzücken lagen auf der anderen Seite der Lagune aber auch zwei Segelboote, Melipal und Renegat. Die Malteser und Österreicher hatten zusammen mit Windchase nur 20 Meilen nördlich von uns die zehn Starkwindtage abgewettert. Wenn wir das gewusst hätten...
Wir zogen unsere Neoprenanzüge an und waren gleich nach dem Frühstück im Wasser. Das Wasser ist das erste Mal so kalt, dass wir die Anzüge wirklich brauchen. Wir verstehen nun, was der Australier Greg meinte, als er sagte „Greece is great, but the water is freezing“. Damals dachten wir noch, „der war noch nie in der Ostsee“, aber inzwischen scheinen wir auch verdorben zu sein. Obwohl die Delfine gestern nicht vorbei geschaut haben, war das Schnorcheln am Riff große Klasse. Das Wasser ist glasklar, so gute Sicht hatten wir, mal abgesehen von Sanganeb, seit den Tuamotus nicht mehr. Am Nachmittag hatten wir Spass mit den beiden anderen Crews. Es tat gut wieder einmal mit jemandem außerhalb der Familie zu sprechen. Wenn man hört „im nördlichen Roten Meer segelt man doch nicht“ fühlen sich die 120 Segelmeilen plötzlich wie eine kleine Heldentat an, anstatt zu denken „wieder nur ein Drittel des Weges gesegelt“.