Tag 24: Gegenwind
Wer gut auf unsere Position geachtet hat, ist bestimmt schon ausgefallen, dass wir an Massawa, unserem geplanten Zielhafen, vorbei gesegelt sind. Das liegt nicht daran, dass wir Eritrea doof finden oder Massawa nicht gerne gesehen hätten, die Stadt hat ja eine sehr dichte Geschichte, sondern wieder einmal am Wind.
Das rote Meer ist mit seiner Großwetterlage berechenbar. Im Winter weht im südlichen Teil, hauptsächlich ein Wind aus Süden während im nördlichen Teil der Wind aus Norden bläst. Dazwischen, so ungefähr auf Höhe der Grenze Eritrea-Sudan befindet sich eine Konvergenzzone, in der alle möglichen unmöglichen Wetterphänome auftreten. Im Sommer gibt es im gesamten roten Meer fast ausschließlich Wind aus Norden, für uns also Gegenwind. Zusätzlich treten lokale, schlecht vorhersagbare Effekte auf; das ist der Khamsin im Norden, ein heißer und trockener Wüstenwind, der viel Staub und Sand aus der Sahara mitbringt, der Belat im Süden, der in Sturmstärke von den Bergen der arabischen Insel herabweht und die See ordentlich aufmischt, der Haboob der auch mit Sturmstärke an der sudanesischen Küste wütet und der Kharif, der aus Somalia her bläst. Das Wetter im roten Meer ist also positiv formuliert eine Herausforderung.
Wir versuchen momentan die letzten Lüftchen aus Süden mit zunehmen, um dem Gegenwind möglichst lange aus dem Weg zu gehen, und haben deshalb entschieden noch ein paar Tage länger mit unserer leeren Kombüse zu leben und direkt Suakin im Sudan anzulaufen. Für Morgen war eigentlich einer, der auf unserer Höhe seltenen Winde aus Süden vorhergesagt, aber momentan sieht es schon wieder so aus als ob er es vielleicht doch nicht zu uns schafft.
Gestern sind wir bis zu der Insel Harmil gesegelt, um auf der Südseite der Insel Schutz gegen die nördlichen Winde und Wellen zu suchen. Der Anker war noch nicht richtig eingefahren, da raste auch schon ein kleines offenes Boot auf uns zu. 3 Mann waren an Bord, sie wollten unsere Papiere sehen, wussten dann aber nicht so richtig, was sie mit uns machen sollten. Irgendwann zogen sie mit unserem Papierkram ab und versprachen später wieder zu kommen. Ich war nervös, der Capitano tiefenentspannt, auch noch nach fünf Stunden. Kurz vor Sonnenuntergang kamen sie dann doch noch und verscheuchten uns aus der Bucht. Harmil sei Millitärzone, wir können aber vor der Nachbarinsel Entaasnu ankern. Dort liegen wir jetzt, wenn auch nicht ganz so gut geschützt.