At anchor in the vulcano of Ureparapara
In Vanua Lava ging es dann doch noch etwas zur Sache. Aus den stetig wehenden 25 Knoten, wurde ein böiges etwas. Es wehte mit 15 Knoten solange bis der nächste Hammerschlag über uns hinweg ging. Unser Windmesser konnte die Windschläge nicht messen, sie waren vermutlich zu kurz. Sie waren aber so stark, dass man sie über die Bucht kommen sehen sah. Der Wind wirbelte das Wasser auf, so dass Gischt in die Luft spritzte. Wenn die Böe dann über uns hinweg ging, machte unser Windgenerator eine Notabschaltung, kurz nachdem man dachte jetzt hebt Moya mit lautem Rotorgedröhn gleich ab. So ungefähr alle 2 bis 5 Minuten kam ein solcher Windhammer und drückte Moya von rechts nach links und wieder zurück, so dass sie vor Anker Slalom fuhr und die Ankerkette regelmäßig von der Rolle hüpfte. Bei diesem Wind gingen wir lieber nicht von Bord, sondern ertrugen unsere energiegeladenen Kindern und waren heilfroh, als die Böen während der Nacht nachließen.
Am nächsten Morgen hatte sich das Wetter stabilisiert und wir gingen Anker auf für den 25 Meilen Trip nach Ureparapara, der nördlichsten Insel der Banks Gruppe. 4 Stunden später holten wir einen kleinen Thunfisch an Bord und segelten danach in eine grüne Schlucht. Direkt hinein in den Krater eines erloschenen Vulkans Ureparapara, der bei seinem letzten Ausbruch eine Kraterwand in Meer hinausgesprengt hatte. Von weitem schon sahen wir mehrere Einbäume auf uns zu paddeln. Edward und Andrew und einige Kinder waren gekommen, um uns den besten Ankerplatz zu zeigen, nicht weit entfernt von ihrem Dorf auf der Südseite der Bucht in 6 Meter tiefem Wasser, Schlamm sorgt für perfekten Halt. Nachdem der Haken gesetzt ware, luden wir die beiden auf einen Kaffee ein und plauderten ein wenig. Die Kinder wollten beide nicht an Bord haben, so dass alle, nachdem Joshi und Joni Lollies verteilt hatten, einfach weiterhin Moya umkreisten. Erst bei einsetzender Dunkelheit paddelten sie wieder ins Dorf zurück.
Das Dorf Lesereplag ist wie aus dem Bilderbuch. Es liegt direkt am Ufer des Kraters, weißer Sandstrand, Palmen, Mangroven und eine Korallenriff davor. Zwei kleine Flüsse münden im Dorf ins Meer, über die die Dorfbewohner, Brücken aus Naturholz zusammengezimmert hatten. Die Hütten sind auch hier hauptsächlich aus Bambus und Palmenblättern gebaut, aber sehr hübsch verziert. Manche davon waren sogar mehrstöckig. Wie in allen Dörfern hier, war alles hergerichtet und aufgeräumt, Müll gab es keinen. Wir waren nur wenige Meter ins Dorf gegangen, als uns die hübsche, junge Rona mit ihrem einjährigen Sohn Stein auf dem Arm begrüßte. Sie sprach sehr gutes Englisch und lud uns auf einen Rundgang durchs Dorf ein. Sie zeigt uns die Häuser von Andrew und Edward, die Kirche, das Lagerhaus, nur zur Schule wollten wir lieber nicht, um nicht die Kinder vom Lernen abzuhalten. Am Rückweg kamen wir an einem aus Steinen gebauten Ofen vorbei. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass hier normalerweise für das ganze Dorf Brot gebacken wird. Momentan aber leider nicht, da es kein Mehl auf der Insel gibt. Später erfuhren wir, dass schon seit Juni kein Versorgungsschiff mehr gekommen war. Dem Chinesenhändler war sein Boot kaputt gegangen, vielleicht kommt er bis Weihnachten wieder. Eine staatliche Versorgung gibt es nicht. Die Menschen hatten also nicht nur kein Mehl, sondern auch keinen Reis, kein Öl, keine Streichhölzer und keine Seife. Sie leben nur noch von der fruchtbaren Insel ohne Radio, Fernsehen, Internet. Die einzige Art der Kommunikation mit der restlichen Welt ist das Handy, das aber auch nur auf dem Kraterrand, nach mehrstündigem Fußmarsch, manchmal funktioniert.
Als wir wieder bei Ronas Haus angekommen waren, kam uns ihr Vater, Chief Nickelson entgegen. Er war hier der Boss und hatte gleich seinen Sekretär Frederic dabei. Er war ganz offensichtlich froh uns zu sehen und zauberte nach einer kleinen Ansprache, vier Blumenketten hervor, die seine Frau für uns gebunden hatte und uns nun feierlich um den Hals legte. 335 Menschen leben in seinem Dorf, weit über die Hälfte davon Kinder, jeden Monat kommt mindestens ein neues Neugeborenes dazu, erzählt er. Die Schule wurde, wie alle Schulen auf den Inseln, von der EU gebaut, mit Solarstrom und Wasserversorgung. 79 Kinder gehen hier 6 Jahre lang in die Grundschule. Nur ein einziges Kind darf auf die weiterführende Schule nach Sola, alle anderen sind mit 12 fertig und werden teilweise auf andere Inseln zum Arbeiten geschickt. Das gesamte Dorf versucht das Schulgeld für das Solakind aufzubringen. Aber es gibt kein Geld auf der Insel. Geld wird zwar auch nur selten gebraucht, aber der Chinamann will nun doch Geld für den Reis wenn er kommt, die wenigen Handyrechnungen müssen bezahlt werden und eben auch das Schulgeld. Andrew fing an Holzarbeiten anzufertigen. Sehr schöne Holzschalen in Fischform, Masken und Wandschmuck versucht er nun an die 10 Yachten, die jedes Jahr auf die Insel kommen zu verkaufen. Natürlich kauften auch wir eine, für - sogar für uns - viel Geld. Außerdem handelten wir zu „ungünstigen“ Konditionen. 2 Papayas gegen Kinderkleidung, eine LED Leuchte, 4 Fläschen Seife, Mehl, Zucker und Öl. Ein Bund Bananen gegen unseren Thunfisch, T-Shirts, Batterien und Nähzeug. Ein Bund Frühlingszwiebeln gegen T-Shirts, Farbstifte, Reis und Zucker. Joshi und Joni luden vier Kids an Bord ein zum Pfannkuchen essen und Icetea trinken ein, danach bekamen Larry, Rocky, Tobo und Alex Farbstifte und je ein Schreibheft. Nur in diesem Dorf hätten wir Moya komplett leer machen können und hätten vermutlich dennoch nicht alle erreicht, so fühlen sich unsere Gaben eher an wie ein Tropfen auf den heißen Stein - man bräuchte eine ganze Schiffsladung. Trotzdem gab es einige lachende Augen, nicht nur von den Kindern, die mit Joshi und Joni mit ihren Einbäumen über die Bucht fetzten.