Gegen den Strom
"Das Windrad geht nicht mehr, da muss man neue Batterien einlegen" sagte Joshua heute morgen am Frühstückstisch. Das große Windrad, das neben dem Hafen stand und sich gestern Abend noch drehte stand still. Dem Wind war die Puste ausgegangen. Wir wollten uns heute gerne Borkum anschauen, leider ist daraus nichts geworden. Der Hafenmeister hat uns zu verstehen gegeben, dass wir hier nicht bleiben können und möglichst schnell ablegen müssen. Wir hatten gestern Abend wohl an an einer Stelle angelegt, die für die Berufsschifffahrt reserviert ist. Unmittelbar gab es auch keinen anderen Stellplatz, so dass wir beschlossen uns direkt Richtung Emden aufzumachen. Unser Timing war allerdings mehr als suboptimal. Wir liefen mit Hochwasser in Borkum aus, so dass wir schon kurz nach dem Ablegen den Ebbstrom der aus Ems und Wattenmeer drückte gegen uns hatten. Beachtliche 3 kt Strom wälzten sich uns entgegen und versuchten uns raus auf die Nordsee zu schieben. Da der Wind ohnehin nicht mehr als ein laues Lüftchen war, fuhren wir mit unserem Schiffsdiesel dagegen an. Schon der kleine Windhauch ließ auf dem Wasser kleine kurze Wellen entstehen. Bei 5 oder mehr Windstärken gegen den Strom wird es hier richtig ungemütlich. Unsere Fahrt nach Emden zog sich wie Kaugummi. Wir benötigten knapp die doppelte Zeit als ohne Strom oder gar die dreifache Zeit wenn wir mit dem einströmenden Wasser abgelegt hätten. Dazu kam, dass uns unser Sonnensegelproblem wieder eingeholte. Wir hatten uns schon viele Gedanken gemacht wie wir ein Sonnensegel installieren könnten, aber nichts hat so richtig gepasst. Auch professionelle Lösungen waren so schnell nicht bei zu kriegen, so dass wir immer noch keinen Sonnenschutz im Cockpit haben. Bisher war das auch kein Problem, da der Himmel entweder bedeckt war oder wir einen Kurs gefahren sind, der Schatten durch unsere Sprayhood brachte. Heute war dem nicht so. Wir hatten uns gut eingecremt, dennoch wird es ziemlich heiß wenn man dauerhaft in der Sonne sitzt. Improvisationslösungen sollten wenigstens für Jonathan und Joshua Schutz bieten, was allerdings nicht wirklich gut funktionierte. Die Brückenöffnungszeiten hätten unsere Fahrt noch weiter verlängert, deshalb haben wir umdisponiert und haben im Außenhafen von Emden angelegt, anstatt den Binnenhafen anzulaufen. Heute ist es kam vorstellbar, dass Emden bis zur Marcellusflut 1362 tatsächlich an der Ems gelegen war. Diese Flut wütete damals so stark, dass sie den kompletten Flusslauf der Ems um 4,5 km nach Westen verlegte. Für die Bewohner von Emden war das eine Katastrophe, doch alle Versuche den Fluss wieder in sein altes Flussbett umzuleiten scheiterten, so dass er heute noch so verläuft. Im Hafen hat uns Anneliese besucht, sie ist eine alte Freundin von Christians Vater und hatte unsere Toilettenersatzteile in Empfang genommen, die wir hierher umgeleitet hatten. Außerdem hat sie uns kurzer Hand erst zum Baumarkt und dann in die Stadt gefahren. Wir brauchten nämlich dringend 1) Edelstahlstangen und Segeltuch um ein Sonnensegel zu basteln und 2) ein Eis, das wir Joshua versprochen hatten (ganz herzlichen Dank Anneliese). In der Stadt haben wir einen kleinen Spaziergang gemacht und überrascht festgestellt, dass Emden wirklich schön ist. Am alten Binnenhafen zu sitzen mittags einen Kaffee oder abends ein Bier zu trinken hat wirklich was. So hat der Tag doch noch einen schönen Ausklang gefunden.