Beinahe 24 Stunden Krimi
Nach 2 Tagen gemütlichem Cruising mit gutem Segelwind und ein wenig Welle von hinten, sollten sich gestern die Bedingungen ändern. Laut Wettervorhersage sollte es gegen Ende unserer Passage richtig blasen mit Böen bis zu 40 Knoten. So haben wir das erlebt:
9:00 Uhr: Moya dümpelt mit 3 Knoten vor sich hin, bei fast keinem Wind und glatter See. Wir überlegen noch, ob die Wettervorhersage richtig sein kann. Ich koche trotzdem mal besser vor.
13:00 Uhr: Der Wind hat auf 17 Knoten zugelegt, die Böen wehen bereits bis 25 Knoten. Die Wellen kommen noch ganz harmlos von achtern. Wir reffen unser Grosssegel.
17:00 Uhr: Bevor es richtig los geht, haben wir schon mal gegessen. Die Segel sind inzwischen im dritten Reff. Überall sind weiße Kämme auf den Wellen, Schaum ist im Wasser. Vom Cockpit aus kann ich nicht mehr über die Wellenberge sehen. Sie rauschen laut, wenn sie unter Moya durchrollen und uns ein Stückchen mitnehmen. Der Wind legt weiter zu und bläst stetig mit über 25 Knoten. Moya macht ihre Sache gut und rauscht sanft durchs Wasser. Unser Windpilot steuert wie ne eins. Die Jungs spielen im Salon. Vorhin hat Joni mal seinen Kopf ins Cockpit gestreckt und meinte "große Welle! Überall ganz viele große Wellen!" kümmerte sich nicht weiter und spielte weiter.
19:30 Uhr: Die Kinder schlafen in ihren Kojen. Vom Vorsegel steht nur noch ein handtuchgroßes Stück. Die Wellen stehen mittlerweile wie eine Wasserwand vor Moyas` Heck bevor sie unter uns durchrauschen. Der Wind heult mit 35 Knoten. Moya segelt überraschend ruhig in die Dunkelheit. Christian hat wie immer alles im Griff. Ich fühle mich nicht ganz wohl - wir sind laut Vorhersage noch nicht am Peak. Angespannt sitze ich da und versuche durch schiere Konzentration, mit meinen Gedanken Moya auf Kurs zu halten und den Bullenstander (Seil das unseren Baum sichert, falls der Wind von der falschen Seite in die Segel weht) zu verdicken.
21:00 Uhr: Wir kämpfen um jedes Grad nach Steuerbord damit wir bei diesen Bedingungen nicht Halsen müssen. Der Wind kommt direkt von achtern. Windy luvt in den Böen immer wieder an, 2 Mal stand unser gesichertes Grosssegel schon bak, wenn eine große Welle Moyas Hintern in die flasche Richtung drückte. Christian korrigiert manuell nach und ich bekomme Puddingknie und merke regelrecht wie Adrenalin mein System überflutet. An Schlafen ist nicht zu denken. Selbst ohne Adrenalin wäre ich aus meiner Koje gerollt. Die Kinder schlafen selig in den Leekojen. Das Vorsegel ist nun komplett eingerollt, trotzdem schießt Moya mit über 7 Knoten im dritten Reff dahin. Ich sehe in der Dunkelheit die Wellen nicht mehr, der Mond ist noch nicht da.
1:30 Uhr: Nach einem kurzen Windloch ist jetzt der Wind wieder mit voller Stärke da. Der Mond ist inzwischen aufgegangen, dunkle Wellenberge türmen sich wenn man Richtung Horizont schaut.
4:00 Uhr: Wir biegen um die Ecke vor Santa Marta, der Wind legt nochmal zu. 9 Beaufort, Sturm. Riesige Wellen schieben sich unter uns durch und beschleunigen Moya auf über 9 Knoten. Bald sollten wir in der Landabdeckung sein.
4:45 Uhr: Wir kreisen von der Marina in Santa Marta bei 45 Knoten Sturm, von Landabdeckung nicht die Spur. Die Segel sind geborgen und Christian versucht Moya mit Mühe und viel Motorleistung im Wind zu halten, was ihm meistens gelingt. Wir gehen unsere Optionen durch und entscheiden uns gegen ein Anker- oder Anlegemanöver. Wir kennen die Marina und den Ankergrund hier nicht und finden es zu gefährlich blind bei so viel Wind und immer noch signifikanter Welle anzulegen. Stattdessen fahren wir noch einmal 3 Meilen Richtung Süden und hoffen auf besseren Schutz.
6:30 Uhr: Der Anker liegt im schwarzen Wasser an der Bahia de Gaira. Am Horizont dämmert es. Vor dem Strand steht eine Hochhauskette, die zusammen mit den Bergen dahinter Schutz vor dem Ostwind bietet. Moya liegt ruhig, wir könnten nun schlafen, wären die Kinder nicht durch Motor und Anker aufgewacht.
8:00 Uhr: Frühstück, dann Chaosbeseitigung, heute nacht ist einiges durchs Schiff geflogen
9:30 Uhr: Christian läßt nicht nach, er will nochmal raus und es in der Marina noch einmal versuchen. In Kolumbien ist das Einklarieren nicht ganz einfach. Man muss sogar temporär sein Schiff einführen, dass läuft alles nur mit Agent und kann trotzdem lange dauern. Als Gäste in der Marina würden die Marinerios das für uns erledigen. Widerwillig stimme ich zu Anker auf zu gehen, da die Wettervorhersage keine Besserung verspricht und wir in der Marina niemanden erreichen, halte ich die Einfahrt in die Marina ohne Unterstützung immer noch für zu gefährlich.
12:30 Uhr: Moya liegt sicher am Steg. Die Fender sind platt wie Flundern und Moya gekränkt als würden wir segeln. Bei 35 Knoten Wind im Hafen und viel Guidance über Funk haben uns 3 Marinerios erst in die Marina gelotst und dann sicher am Steg vertäut. Das Anlegemanöver lief sehr professionell. Alleine hätten wir es vermutlich aber nicht so einfach geschafft. Jetzt bin ich froh angekommen zu sein, die Nacht war spannend wie ein Krimi. Die nächsten Tage bewegen wir uns erstmal nur zu Fuss von hier weg.