Straße von Dover
"Komm mal kurz raus" sagte Christian vor dem Cap Gris Nez, der Engstelle der Straße von Dover. Die Kinder und ich waren gerade im Decksalon, da die Wellen draußen doch eine beachtliche Höhe erreicht hatten. Jonathan schlief und Joshua bekam von mir eine Pippi Langstrumpf Geschichte erzählt (die liebt er momentan über Alles). Chrisitans´ eindringliche Stimme zusammen mit der Tatsache, dass eine Sekunde zuvor der Motor ausging ließen mich aufspringen. Oben angekommen war Christian schon halb an mir vorbei und meinte bereits im Niedergang "Es kommt kein Wasser aus dem Auspuff, ich muss mal in den Maschinenraum". Ich stellte mich ans Ruder. Eigentlich war das eine ziemlich sinnlose Tätigkeit, denn ohne Segel und Motor, kann man am Ruder so viel drehen wie man will, es wird nichts passieren. Als ich so dastand, fuhren meine Gedanken Karussell. Es kommt kein Wasser aus dem Auspuff, das heisst die Kühlung des Motors funktioniert nicht, so viel wusste ich und auch, dass das sehr schnell zu einem Motorschaden führen kann. Ohne Motor können wir nicht anlegen. Ich überlegte, ob wir noch ein bißchen näher an den nächsten Hafen segeln oder gleich über Funk Hilfe holen sollten. Wir waren heute nicht gesegelt, da der Wind wieder einmal exakt aus der Richtung kam, wo wir gerne hinwollten. Noch ein bißchen segeln würde bedeuten umzukehren und gegen den Strom der uns gerade in den Ärmelkanal hinein schiebt anzufahren. Keine sehr erbauenden Aussichten. Zum Glück kam Christian schon nach 5 Minuten wieder in den Decksalon und drehte den Schlüssel im Zündschloss. "Schau mal zum Auspuff! Kommt jetzt Wasser?" Erleichtert antwortete ich "Ja, alles normal". Kurze Zeit zuvor waren wir über eine ziemlich große Welle gefahren, so dass wohl Teile des Unterwasserschiffs kurzzeitig aus dem Wasser geschaut haben. Die Motorkühlung saugt normalerweise von unten Meerwasser an und hat bei der Gelegenheit statt Wasser Luft angesaugt, so dass sich eine Luftblase im Kühlkreislauf befand. Christian bemerkte das Malheur, da aus unseren Lenzrohren im Cockpit Auspuffabgase kamen, zum Glück sehr schnell, so dass der Motor keinen Schaden nahm. Wir waren heute erst nachmittags gestartet, da wir ab jetzt noch besser nach den Gezeitenströmungen navigieren müssen. Im Ärmelkanal erreichen diese Ströme teilweise solche Stärke, dass wir selbst bei voller Maschinenleistung rückwärts fahren würden. Dunkerque hat uns mit roten, braunen und schwarzen Rauchwolken verabschiedet, so dass wir froh waren diesen Ort verlassen zu können. Die Wettervorhersage hatte heute bis zu 5 Windstärken, abflauend auf 3 angekündigt mit maximal 1,5 Meter Welle. Am Ende war es dann mal wieder doch ein bißchen mehr. Jonathan hat sich während der Fahrt erfreut im Schiff hin und her gekugelt und war bester Laune. Joshua ist schon etwas eingeschränkt, da er sich doch immer festhalten muss und er bestimmte Dinge nicht mehr spielen kann, aber auch er kommentierte große Wellen nur noch ab und zu mit "Mama, das war eine große Welle" bevor er sich wieder Wichtigerem widmet.