Tor nach Hause
Es ist 6 Uhr morgens, ich sitze im Cockpit, die Luft ist noch klar und frisch, im Schiff ist es noch still. Um 8 Uhr sollen wir an Land sein und unsere Pässe zur Ausreise abgeben. Um 9 Uhr soll dann der Pilot an Bord kommen, für die Kanaldurchfahrt.
Hinter mir zieht der nach Norden fahrende Convoy der Dicken vorbei. 50 Schiffe, jedes beladen mit bis zu 20000 Seecontainern, tuckern langsam am Yachthafen vorbei Richtung Mittelmeer. Ein kleines Containerschiff zahlt dafür 500000 USD, die ganz Dicken auch schon 2 Millionen. Tatsächlich zahlen wir den gleichen Preis wie die Großen, 8 USD pro Tonne, um durch den Kanal fahren zu dürfen. Allerdings sind wir im Vergleich ein Leichtgewicht, so dass die Kosten für uns bezahlbar bleiben, vermutlich zum Leidwesen der Kanalbetreiber. Wenn der Convoy durch ist, werden auch wir nach Norden schippern, durch den Lake Bitter bis nach Ismailiah, wo wir die Nacht verbringen werden, bevor es dann morgen ins Mittelmeer geht.
Die letzten Tage waren entspannt. Wir liegen seit Montag an einer Mooring Boje im Yachtclub. An den Steg trauten wir uns nach unseren unerwünschten Besuchern von Port Ghalib nicht. Captain Heebi, unser Agent, verbrachte bei unserer Ankunft ein kleines Wunder, indem er die Kanalbehörden dazu bracht, dass wir zusammen mit den nach Norden fahrenden Dicken die ersten paar Meter des Kanals bis zum Yachtclub zurücklegen. Eigentlich ist das unmöglich und bedeutet deshalb normalerweise für Yachten lange Wartezeiten bis sie dann im Yachtclub anlegen dürfen. Für uns wurde eine Ausnahme gemacht, vielleicht wegen der Kinder, vielleicht aber auch weil Windchase, Renegade und Millipal noch vor dem Convoy durchgeschlüpft waren und Captain Heebi die Formalitäten für alle Yachten zusammen erledigen wollte. Wir wissen es nicht, waren aber sehr dankbar die gute Organisation und die professionelle Arbeit des Captain. Noch am selben Abend, gegen 23 Uhr, bekamen wir unsere Pässe zurück, und waren nun klar das Land betreten zu dürfen.
Der Yachtclub ist ein wenig runtergekommen und liegt in einem Viertel, das einmal reich gewesen sein muss. Die alten Villen sehen trotz ihrer Patina toll aus und wären Schönheiten, wenn man ein wenig renovieren würde. Im Club gibt es sogar einen Spielplatz. Ein paar Blöcke weiter gibt es eine echt ägyptische Foodmeile mit kleinen Restaurants, die Kebab, Tee, Kaffee und Shishas verkaufen. Die Ägypter sitzen nach Sonnenuntergang vor den Lokalen an kleinen Tischen auf der Straße und genießen ihr Frühstück zum Ende des Fastentages. Auch wir aßen dort zusammen mit den Crews der anderen Yachten. Köfta, Sish Kebab, Reis, Hummus, Salat und Fladenbrot, echtes ägyptisches Essen - lecker! Zur Feier des Ramadans bekamen wir dazu einen lilafarbenen, sehr leckeren Saft gereicht und süße Bällchen als Nachtisch. Beides sind lokale Köstlichkeiten und werden speziell zubereitet für das Fastenbrechen am Ende des Tages.
Nach dem Essen wanderten wir durch den alltäglichen abendlichen Sandsturm zu Moya zurück. Tagsüber ist es hier unglaublich heiß, die Luft steht. Das Fasten, vor allem nichts zu Trinken, muss in diesem Klima eine fast übermenschliche Disziplin erfordern. Am späten Nachmittag setzte bisher immer ein starker warmer Wind ein, der viel Staub aus der Wüste mitbrachte. Moya hat außen mittlerweile einen richtigen Sandpanzer und ich trage täglich eine Kehrschaufel voll Sand aus dem Schiff.
Bald wird sich das ändern. Das Mittelmeer wartet auf uns.