Vor dem 60 Seelen Dörfchen ankerten wir in 15 Meter tiefen Wasser. Das ist eigentlich etwas zu tief für uns, da wir nur 50 Meter Kette im Kasten haben und somit in dieser Tiefe nicht genügend Kette strecken können für eine gute Haltekraft des Ankers. Was mich aber noch mehr beunruhigte waren die Boomies - die Korallenköpfe- die es hier sowie überall gibt. Wenn sich bei drehendem Wind die Ankerkette um die Boomies wickelt ist man erst mal gefangen und kann den nicht mehr bergen, da hilft oft nur noch hinuntertauchen und die Kette lösen - undenkbar in 15 Metern ohne Taucherflasche. Naja, es war kein Wind und außerdem standen wir erst mal, also Tilly gewässert und los ins Dorf.
Wir fuhren am Korallenriff vorbei und legten am großen Betonanleger an. Dort standen einige Kinder die versuchten mit selbstgebauteb Angelruten Fische zu fangen. Im Wasser schwammen zwei oder drei ausgewachsene Blacktip Reef Sharks. Die waren ungefähr 1.5 Meter lang und ihre Rückenflosse hatte eine schwarze Spitze, sie waren gar nicht mehr so süss wie die Kleinen aus der Anaho Bucht. Die Einheimischen scheinen nicht sonderlich großen Respekt vor den Haien zu haben, aber mir waren die trotzdem suspekt und machte eine Gedankennotiz „Nachschlagen, ob die Blacktips gefährlich sind“. Vor dem Gebäude am Anleger saß ein älterer Herr im Rollstuhl und schaute aufs Meer hinaus, neben ihm hockte ein jüngerer, dicklicher Mann auf dem Boden und bastelte Muschelketten aus kleinen Schneckenhäusern. Vor dem Haus nebenan verbrannte eine Frau gerade ihren Plastikmüll, ihre Kinder riefen Bon jour! und als sie merkten wir sprechen kein französisch How are you? Die Frau kam auf uns zu und nahm uns unsere Mülltüte ab, unterhalten konnten wir uns leider nicht und ich fluchte mal wieder in der Schule nicht französisch gelernt zu haben.
Unsere kleine Entdeckungstour dauerte nicht lange, es gab einige Häuser, eine Schule, einen kleinen Flughafen, einen Vinispot, den wir nutzten um unseren letzten Logbucheintrag ins Netz zu stellen, und einen Laden vor dem die Blauen Werbeschilder der lokalen Biermarke und Muschelketten aus Austerschalen hingen. Ein Mann stand hinter dem Tresen mit verbundenen Händen und Füssen. Er sprach sogar ein bißchen englisch und meinte es sei eine Hautkrankheit, sei aber schon ganz gut. Citguatera gäbe es hier nicht (später erfuhren wir, dass er schon sechs Vergiftungen hinter sich hat). Brot oder frische Lebensmittel hat er keine und gibt es hier im Atoll nicht, aber er könne uns gefrorenes Toastbrot verkaufen. Das nahmen wir als Überbrückung bis wir wieder selbst Brot backen, unsere Müslivorräte gehen nämlich auch langsam zu neige. Dann setzten wir uns noch an den kleinen Strand und aßen eine Kokosnuss, die wir gefunden hatten, die Jungs spielten im Wasser. Zwei korpulente Damen brachten ihre Stühle, schauten den Jungs wohlwollend zu und freuten sich über unser „Nana“ zum Abschied.
Nach kurzer Erkundungstour über das Riff entschieden wir noch einmal Anker auf zu gehen, um auf der geschützten Ostseite des Atolls die Nacht zu verbringen. Christian startete den Motor, drückte den Knopf der Ankerwinsch. Das leise zuckeln der Winsch begann, aber leider nicht lange, bald hörte man wie schwer sie sich tat die Kette nach oben zu liften, bis sie dann aufgab. Die Kette war gespannt wie ein Flitzebogen und zog Moyas Bug ein bißchen weiter ins Wasser. Wir fingen an Kette nachzulassen, Moya anders auszurichten, wieder hochzuholen. Stück für Stück hatten wir immer ein wenig mehr Kette im Kasten, aber dann war einfach nichts mehr zu machen, wir hingen immer wieder an der selben Stelle bei inzwischen 17 Meter Wassertiefe. Christian setzte seine Taucherbrille auf und meinte „ich schau mir das mal an“. Ich stand am Ankerkasten und überlegte, ob er größenwahnsinnig geworden war und rief noch, ob er nicht wenigstens die Flossen nehmen wolle, aber da war er schon verschwunden. Es dauerte und dauerte und dauert bevor er die Wasseroberfläche durchschlug und nach Luft japste. Er hatte nicht nur geschaut, sondern hatte den Anker vom Korallenkopf befreit, nur am Rückweg wäre ihm fast die Luft ausgegangen. Wir nehmen uns vor in so tiefem Wasser nicht mehr zu ankern.
Mit der Nachmittagssonne von hinten fuhren wir rund 12 km über die Lagune. Christian am Steuer, ich am Bug, die Kinder im Salon. Im Slalom navigierten wir im tiefen Wasser zwischen den Korallenriffen, die immer wieder auftauchten, aber durch die Sonne gut auszumachen waren, in der Seekarte waren sie nicht verzeichnet. Gegen 17 Uhr versenkten wir das Eisen 8 m über Sand im Wasser vor einer kleinen Insel. Fena Kon Tiki, der Endstation der berühmten Kon Tiki, wollten wir dann am nächsten Tag erkunden. Das Kon Tiki Floss war 1947 über den Pazifik gesegelt und war hier bruchgelandet.
Mit Schnorchel und Flossen bewaffnet paddelten wir gestern an Land. Die Insel direkt am östlichen Aussenriff des Atolls war mini, es gab Palmen, pink-weißer Sand, weiße Vögel und einen großen Gedenkstein, zum Andenken an die spektakuläre Landung der Kon Tiki und ihrer Expedition, die von dem Norweger Thor Heyendahl geleitet wurde. Über das Aussenriff wanderten wir ein Stückchen weiter nach Süden, dort lag eine weitere Yacht und wir wollten gerne „Hallo“ sagen. Zwischendurch mussten wir immer Stücke durchs Wasser und tauchten in die schillernde Unterwasserwelt ein. Inzwischen hatte ich von Wikipedia gelernt, dass die Blacktip reef sharks Angst vor den Menschen haben und es nur selten zu kleineren Unfällen kam, wenn sie menschliche Füsse mit Fischen verwechselt haben, so dass das Gefühl nicht mehr ganz so mulmig war, wenn eines der Exemplare in die Nähe kam. Die kleinen Korallenköpfe im Wasser sind farbenprächtige Welten und das zu Hause von vielen kleinen Rifffischen und großen Muscheln die im Inneren in grün, blau, orange oder lila schimmern - wunderschön. Überhaupt war das Schnorcheln hier phänomenal, gleich beim ersten mal Kopf unter sahen wir Nadelfische, kleine Zebrafische, Grouper, kleine gelbe, weiße und blaue Fische, wohin man den Kopf auch drehte wimmelte es und versteckte sich in den bunten vielgestaltigen Korallen.
Später lernten wir Katja und Matthias von der Papillon kennen, die beiden waren schon seit drei Monaten auf Raroia und versorgten uns mit vielen wertvollen Tipps, der Kon Tiki Doku und guter Abendunterhaltung. Die Kinder waren ganz hinweg, mal wieder deutsche Gäste zu haben, so dass sie fast nicht ins Bett zu kriegen waren. Als sie dann doch im Schlummerland waren, versumpften wir Erwachsenen im Cockpit und genossen die laue Nacht. Es ist immer wieder spannend neue Blauwassersegler kennen zu lernen, wirklich alle haben eine interessante Geschichte zu erzählen.