Challenges in the strait of Malacca
Mann über Bord?
Wir blieben uns treu. Trotz aller Bemühungen musste unsere neue Crew erst einmal beweisen, wie ernst sie es mit der Segelei meint. Mit leichtem Wind von hinten segelten wir aus der Johor strait, an den dicken Ankerlegern vorbei, hinaus in die Straße von Malakka. Die Wettervorhersage kündigte leichte nordöstliche Winde an, ideal um im Lee der Peninsula über Nacht nach Malakka zu hüpfen. So die Theorie. Wie ihr Euch denken könnt, sah die Praxis einmal mehr ziemlich anders aus. Es fing damit an, dass der Wind zulegte. Wir refften die Segel, Moya fegte parallel zur Schifffahrtsstrasse nach Nordwesten, soweit kein Problem. Um 22 Uhr, ich war gerade eingeschlafen, weckte mich ein penetrantes Piepsen. Ich wunderte mich, es klang anders als unser AIS Kollisionsalarm, war aber müde genug mich umzudrehen und den Lärm zu ignorieren. Zumindest bis Christian kam.
Wir hatten das Signal eines AIR Mann über Bord Senders empfangen. In der Mitte der stark befahrenden Schifffahrtsstrasse schien etwas mit der Strömung Richtung Süden zu treiben. Die Dicken ignorierten das Notfallsignal geflissentlich und fuhren in großer Zahl ohne Kurs- oder Geschwindigkeitsänderung daran vorbei. Wir waren schockiert und überlegten wie wir uns nun am Besten verhalten sollten. “Im schlimmsten Fall ziehen wir eine tote Person aus dem Wasser” dachte ich. Auch Christian war unsicher, in der Nacht in eine von riesigen Schiffen stark frequentierte Schifffahrtstraße quer zur Fahrtrichtung hinein zu fahren. Das wär auch für uns nicht ungefährlich. Aber Notfall ist Notfall, deshalb war handeln angesagt. Wir packten unser Satelliten Telefon aus, riefen das Maritime Rescue Coordination Center in Bremen an, das rund um die Uhr besetzt ist, und zogen den Rat der Experten dazu. Diese rieten uns, von einer Rettungsaktion abzusehen und verständigten sofort die malaysische Küstenwache. Aufgewühlt beobachteten wir das Seenotsignal auf unserem AIS Schirm und hofften, dass die Küstenwache bald da sein würde, als der Piepser zum zweiten Mal auslöste. Wie konnte das sein? Auf unserer gesamten Reise hatten wir so ein Signal noch nicht einmal gesehen und nun zwei innerhalb von zwei Stunden? War da etwa ein Schiff untergegangen? überlegten wir bis wir den Geschwindigkeitsvektor des zweiten Senders sahen. Mit 20 Knoten bewegte sich das Etwas. Das konnte unmöglich eine im Wasser treibende Person sein. Uns begann zu dämmern, dass das Signal von einem Schiff gesendet wurde.
Christian und Michael konnten sich endlich hinlegen, ich beobachtete weiter und sah wenig später die zugehörigen Navigationslichter des zweiten "Seenotsignals". Auch das Erste bewegte sich nun nicht mehr mit der Strömung, sondern im Zickzack auf die Küste zu. Mir blieb die Spucke weg. Die Ignoranz der Berufsschifffahrt machte nun trauriger Weise Sinn. Die einzige Erklärung die uns einfiel war, dass die Seenotsignale wohl keine Einzelfälle sind, sondern die weniger teuren Mann über Bord Sender von lokalen Booten als AIS Sender missbraucht werden. Das vernichtet mit einem Schlag die eigentliche Funktion der Transponder - sehr ärgerlich!
Finsternis bei Vollmond
Für meinen Geschmack war das schon genügend Abenteuer für eine Nacht, aber sie hatte noch mehr auf Lager. Die Nacht wurde dunkler. Erfahrungsgemäß ist das kein gutes Zeichen. Ich überprüfte auf dem Radar, ob ein Squall auf uns zu zog, sah aber keine Regenechos. Der Wind drehte nach Westen und nahm weiter zu. Starker Wind von über 30 Knoten wehte inzwischen auf Moyas Nase. Übelst kurze, steile Wellen bildeten sich in kürzester Zeit. Dann fing es zu regnen an. So hatte sich Michael wohl seine ersten Tag auf See nicht vorgestellt. Der Arme tat kein Auge zu, bis ich unser blasses neustes Crewmitglied ins Cockpit verfrachtete und ihn mit einem Pflaster gegen die Seekrankheit versorgte. Der von Sumatra heran rollende Squall wütete mehrere Stunden, erst gegen Morgen ließ der Wind und schließlich auch die Wellen nach. Im Gegensatz zu den Kindern, die Alles verschlafen hatten, waren wir Erwachsenen am Morgen ziemlich groggy und froh als wir am Nachmittag den Anker vor Pulau Besar im Wasser versenkten.
Der Strand war zwar nicht weiß und das Wasser nicht blau wie es die Reiseführer versprechen, trotzdem war er jetzt genau das Richtige für uns. Die Kids konnten toben, während wir Kaffee tranken. Italienischer Espresso wäre mir zwar lieber gewesen, aber das zum Großteil aus Zucker bestehende braune Getränk weckte auch so die Lebensgeister. Die Jungs probierten ABC, eine irre Kombination aus Sirup, crushed Ice, Mais, Bohnen und allerlei Undefinierbarem, die uns auf unsere Frage nach Eis verkauft wurde.
Nächtlicher Besuch in Malakka
Der Morgen danach startete laaaaangsam. Wir gingen nochmal zum Strand und machten uns erst spät auf den anderthalb stündigen Törn nach Malakka. Zu Niedrigwasser wollten wir die Marina anlaufen, gaben aber bald auf. Viel weniger Wasser als auf den Seekarten verzeichnet, stand in der Bucht. Der Anker fiel und kurz danach fuhren wir mit dem Dinghi an Land. Die Innenstadt lag weniger als zwei Kilometer vom Hafen entfernt. Ein toller Spaziergang am Nachmittag. Ich weiß nicht genau was ich erwartet hatte, aber ich war positiv überrascht. Die kleine von der Geschichte geprägte Stadt war sauber und schön, mit gepflegter Promenade entlang des Flusses, netten Restaurants und vielen Orten zum Entdecken. Die Chinesen waren vor hunderten von Jahren hierhin gekommen, im Zentrum der Stadt lag das mit roten Laternen geschmückten China town. An jeder Ecke gab es dort einen anderen Buddha Tempel zu entdecken. An die portugiesische Besatzung erinnerte das Fort und der Nachbau des größten Frachtschiffes seiner Zeit, der portugiesischen Flora de la mar. Auch die Holländer hatten der Stadt ihren Stempel aufgeprägt, christliche Kirchen gebaut und das prächtige Stadthuys hinterlassen. Nur von der britischen Herrschaft konnten wir auf die Schnelle keinerlei Hinterlassenschaften erkennen. Leider hatten die Tempel und Museum schon zu, so dass wir nur einen ersten Eindruck sammeln konnten. Trotzdem war es wunderschön in der lauen Nachtluft durch die Stadt zu tingeln und die lokale Küche zu testen. Besonders die blinkenden, mit Stofftieren bestückten Fahrrad Rikschas sind wohl einzigartig - jedenfalls hatten wir etwas Vergleichbares noch nie gesehen.